Ein Bericht von Sibille Sandmayer, Saarbrücker Zeitung
Es hat mich sehr gefreut, als die SZ bei mir anrief und um einen Termin im Atelier gebeten hat. Zwischen den Jahren war es dann soweit und ich gab Sibille Sandmayer nur noch den Tipp mit auf den Weg, dass sie sich doch bitte warm anziehen soll, den eine Heizung existiert noch nicht in meinem Atelier.
Hier der Artikel:
SZ-SERIE ATELIERBESUCH
Wetterfeste Kunst auf dem Dachboden
Weil es in ihrem Arbeitszimmer rasch zu eng wurde, hat Annelie Scherschel-Freudenberger ihr Atelier auf den Dachboden verlegt.
Unsere Zeitung besucht Künstlerinnen und Künstler aus unserer Region in ihrem Schaffensraum. Heute Teil 1: Annelie Scherschel-Freudenberger.
VON SIBILLE SANDMAYER
NEUNKIRCHEN | Im Leben eines Künstlers führen oft viele verschiedene Wege zu vielen unterschiedlichen Zielen. Kunst ist vielseitig und wandlungsfähig und nicht jeder entscheidet sich für einen strikten Weg, wie er seine Kunst ausüben will. Annelie Scherschel-Freudenberger malt sehr gerne mit Öl, aber auch mit Acrylfarben. Viele ihrer Werke sind Collagen, bei denen sie die unterschiedlichsten Techniken und Materialien anwendet. Diese vielschichtigen Werke bleiben meist auch nicht eindimensional, sondern werden in Schichten bearbeitet, wodurch sie immer mehr in die Tiefe wachsen.
Die geborene Neunkircherin interessierte sich schon in der Schulzeit für das Fach Kunst und entschied sich nach ihrem Abitur dazu, Kunst zu studieren. Nach einer kurzen Zeit aber wechselte sie ins Fach Kunstgeschichte und promovierte. „Ich denke, mein theoretisches Fachwissen als Kunsthistorikerin hilft mir dabei, meine Werke zu gestalten. Aber manchmal macht es die Arbeit auch schwerer, weil ich auch weiß, was es alles schon gibt“, sagt sie. Zusammen mit dem Verkehrsverein Neunkirchen baute Scherschel im Bürgerhaus ein Museum auf, um das sie sich vier Jahre lang kümmerte. Danach zog es sie nach Sachsen-Anhalt, wo sie in Sachen Denkmalpflege und Öffentlichkeitsarbeit unterwegs war.
Doch 1995 kam die Kunsthistorikerin zurück nach Neunkirchen und übernahm den Laden ihrer Eltern. Bis heute kann man bei „Kunstlicht Annelie Scherschel“ in der Langenstrichstraße 23 in Neunkirchen ausgefallene, aber auch alltagstaugliche Leuchten erstehen. Und natürlich hängen und stehen dort auch viele ihrer künstlerischen Werke zum Verkauf. Unter anderem kann man kleinere Zeichnungen auf Grußkarten erwerben und verschenken. „Eine Zeit lang habe ich nur fotografiert, aber irgendwann hat mich die Malerei wieder gepackt.“
Im Jahr 2000 begann die heute 57-Jährige in ihrem Altbauhaus im Herzen Neunkirchens wieder zu malen. Zuerst tat sie das in ihrem Arbeitszimmer, doch schnell wurde dort der Platz zu eng und sie zog mit ihrem Atelier auf den Dachboden. Umringt von dicken Holzbalken, einer hohen Decke und viel Platz, um künstlerisch zu wirken, malt Annelie Scherschel-Freudenberger ihre Bilder und Collagen.
„Hier oben ist man dem Wetter schon ausgesetzt: Im Winter kann es sehr kalt werden und im Sommer sehr warm, aber mir macht das nichts. Wenn ich an einem Bild arbeite, vergesse ich die Temperaturen und arbeite einfach vor mich hin.“ Begleiten lässt sie sich dabei von klassischer Musik und ruhigerer Musik, etwa von Michael Marx und Nino Deda oder auch Max Richter. „Diese Musik unterstützt mein Denken und lenkt mich gleichzeitig nicht so sehr ab.“ Seit 2011 ist die Malerin bereits im Künstlerkreis Neunkirchen aktiv und übernahm 2013 auch den Vorsitz. Ihre Werke stellte sie schon bei vielen Ausstellungen aus und diese laufen immer unter einem bestimmten Thema. „Ich versuche immer, ein bisschen Witz in die Titel der Ausstellungen zu bringen, wie bei ‚Öl oder Acryl – Hauptsache Italien‘ und seit einigen Jahren fasziniert mich vor allem das Thema Venedig. Sowohl die schönen Seiten dieser tollen Stadt als auch die Problematik.“
Die Liebe zur norditalienischen Stadt springt einem auch sofort ins Auge, wenn man durch das Atelier der Kunsthistorikerin schlendert. Fotos der vielen Kanäle werden abstrakt weitergebildet mit Ölfarben, verschiedenen Stoffen oder auch Folien. Die Ölgebilde trägt Annelie Scherschel schichtenweise auf, damit sie einen dreidimensionalen Effekt erhalten. Die Trocknung dauert bei diesen Werken meist bis zu einem Jahr, was sich aber sichtlich lohnt. Das schwierige Thema Hochwasser in Venedig wird durch gelartige Masse verdeutlicht, die sowohl kleine quadratische Rahmenbilder schmückt als auch größere Gemälde mit italienischen Figuren. „Ich arbeite bei diesen Bildern eigentlich nie mit Pinseln, sondern mit einem kleinen Spatel. So kann ich alle Materialien in kleinen Mengen auftragen und aufeinander aufbauen.“ In den letzten Monaten konnte Annelie Scherschel-Freudenberger aufgrund der Pandemie leider wenig malen und musste sich mehr um ihren Laden kümmern.
Ihre Ausstellung „Sali E Tabacchi“, die im März 2020 in Saarbrücken hätte stattfinden sollen, ist leider Corona zum Opfer gefallen. Doch aufgeschoben, ist nicht aufgehoben: Es werden bestimmt noch weitere Ausstellungen der Künstlerin folgen.